„Was wäre, wenn … alle Grenzen offen wären?“ - Faktenprüfung des Artikels von Christoph Koch in brandeins 7/2018.

„Was wäre, wenn … alle Grenzen offen wären?“ fragt das mit der Zeit verbundene Magazin brandeins, und Christoph Koch entwirft als Antwort ein einseitiges „Szenario“ voller Halbwahrheiten. Im folgenden werde ich die einzelnen Behauptungen auf ihre Schlüssigkeit überprüfen und fehlende Aspekte ergänzen.


Warum sollen Menschen aus anderen Kulturkreisen in Europa alimentiert werden? [1]

„Das führt sowohl in den Sender- als auch den Empfängerländern zu mehr Wohlstand‘, sagt Klaus F. Zimmermann, emeritierter Professor für Wirtschaftliche Staatswissenschaften an der Universität Bonn. ‚Denn nicht nur transferieren Migranten Geld und Wissen in ihre alte Heimat – sehr viele kehren nach einer Weile auch wieder dorthin zurück.‘“

Die Begründung des Professors bezieht sich nur auf die hier so genannten Senderländer. Sie profiteren. Aber die Empfängerländer? Für sie müsste nach dieser Begründung das Gegenteil gelten. Sie verlieren das in die Senderländer transferierte Geld, und mit dem transferierten Wissen erwächst ihnen Konkurrenz.

„Je offener die Grenzen, desto häufiger sieht man diese ‚zirkuläre Migration‘. Als die Grenze zwischen den USA und Mexiko in den Sechzigerjahren noch weniger streng geschützt wurde, kamen zwar 70 Millionen Mexikaner in die USA – 85 Prozent von ihnen kehrten aber wieder nach Mexiko zurück. Je schwieriger die Einreise, umso größer der Anreiz zu bleiben, wenn man es erst einmal geschafft hat.“

Das ist kein Argument für offene Grenzen, denn die Entscheidung, ob die Migranten bleiben oder nicht, obliegt von Rechts wegen den Empfängerstaaten.

„Generell wird überschätzt, wie viele Menschen sich tatsächlich auf den Weg machen würden: […]“

Tatsache ist, dass bereits jetzt eine Migration stattfindet, welche die beliebtesten Zielländer vor enorme finanzielle und sicherheitspolitische Probleme stellt.

„Wie wirken sich offene Grenzen auf den Arbeitsmarkt aus? Der Ökonom Michael A. Clemens, der in Washington D.C. am Center for Global Development die Abteilung für Migration und Entwicklung leitet, hat errechnet, dass beispielsweise in der US-Landwirtschaft im Durchschnitt drei Saisonarbeitskräfte aus Mexiko einen amerikanischen Arbeitsplatz schaffen – sei es direkt als Vorarbeiter oder indirekt durch ihren eigenen Konsum. ‚Der Arbeitsmarkt ist nichts Statisches, keine Fußballmannschaft mit nur elf Positionen‘, sagt auch Klaus F. Zimmermann. ‚Viele Zuwanderer schaffen sich ihre eigenen Stellen oder bringen durch Unternehmensgründungen sogar Jobs für andere hervor.‘“

Der Denkfehler des Ökonomen liegt hier darin, dass zwar die drei Saisonarbeitskräfte einen amerikanischen Arbeitsplatz schaffen mögen, dass aber eben diese drei Saisonarbeitsplätze nicht von Einheimischen besetzt werden. Natürlich ist vorstellbar, dass diese Arbeitsplätze von Einheimischen gar nicht angenommen würden. Aber was soll dieses Beispiel überhaupt, wenn es um offene Grenzen geht? Saisonarbeitsplätze sind ja gerade nicht für dauerhafte Zuwanderer gedacht.

„Auch die Angst vor sinkenden Löhnen ist unbegründet: Selbst die migrationskritische US-Denkfabrik Center for Immigration Studies fand keinen Beleg dafür, dass eine zunehmende Zahl von Migranten das Lohnniveau beeinflusst. Andere Studien kommen sogar zu dem Ergebnis, dass Einwanderer – im Gegensatz zum Outsourcing von Arbeit ins Ausland – die Löhne leicht positiv beeinflussen. ‚Wenn auf einen Schlag sehr viele Menschen in eine bestimmte Region einwandern, kann die Gruppe, die sich in direkter Arbeitsmarktkonkurrenz befindet, zeitweilig unter Druck geraten‘, sagt Zimmermann. ‚Aber häufig steigen die Einheimischen dann die Leiter nach oben und nehmen besser qualifizierte und besser bezahlte Jobs an.‘“

Die 2010 von Herbert Brücker zusammengetragenen Studienergebnisse zeigen demgegenüber ausnahmslos entweder keinen, oder aber einen negativen Effekt von Zuwanderung auf die Löhne. Wenn wir dies zur einseitigen Darstellung Kochs hinzufügen, scheint sich Zuwanderung je nach der spezifischen Situation sowohl positiv als auch negativ auf das Lohnniveau auswirken zu können. Ein Argument zugunsten offener Grenzen ist das sicherlich nicht.

„Was offene Grenzen für die öffentliche Sicherheit bedeuten, ist schwierig vorherzusagen: In den USA begehen Migranten weniger Verbrechen und landen fünfmal seltener im Gefängnis als US-Amerikaner. Selbst als die Zahl der Einwanderer ohne Papiere sich zwischen den Jahren 1990 und 2013 auf mehr als elf Millionen verdreifachte, sank die Kriminalität.“

Die USA haben eben keine offenen Grenzen, sondern achten darauf, wer ins Land kommt (was natürlich in der Praxis nicht immer gelingt, wie die Diskussion um die Grenze zu Mexiko zeigt).

Die sinkende Kriminalität seit den 1990er Jahren hat bekanntlich mit einer geänderten Polizeistrategie („zero tolerance“) zu tun, nachdem die Kriminalität zuvor jahrzehntelang dramatisch gestiegen war.

„In Deutschland hat die Kriminalstatistik gezeigt, dass gegen noch nicht anerkannte Flüchtlinge häufiger Strafanzeige erstattet wird als gegen die Durchschnittsbevölkerung. Allerdings werden junge Männer generell häufiger straffällig als der Rest der Bevölkerung – und je schwieriger die Einreise, umso höher der Anteil junger Männer an den Migranten. Bei offenen Grenzen würden sich mehr Frauen, denen Gutachten eine ‚gewaltpräventive, zivilisierende Wirkung‘ zuschreiben, auf den Weg machen.“

Welche Gutachten sollen das sein? Ohne nähere Angabe ist zu vermuten, dass der Autor auf Gerichtsgutachter anspielt, die gerne eine „positive Sozialprognose“ bescheinigen, wenn der Straftäter in eine Beziehung oder Familie eingebunden ist. Das ist freilich reine Spekulation, und bekanntlich erweisen sich solche Prognosen häufig als falsch, indem sich die deswegen auf Bewährung Freigelassenen bald wieder vor einem Richter verantworten müssen.

Bei offenen Grenzen wären die zahlreichen Straftäter unter den Migranten natürlich ebenso nach Deutschland gekommen, und noch viele weitere dazu. Dass dann ein höherer Frauenanteil zu weniger Straftaten führen würde, ist eine äußerst gewagte Hypothese. Die Kultur, welche die Einwanderer mitbringen, ändert sich dadurch nicht. Paul Collier gibt ein Beispiel aus Großbritannien: „[…] die jamaikanische Kultur gehört zu den gewalttätigsten der Welt. Die Mordrate zum Beispiel ist fünfzigmal höher als in Großbritannien. […] Tatsächlich ist die Waffenkultur der afrokaribischen Gemeinde heute eine besondere Sorge der britischen Polizei.“ (Exodus. Warum wir Einwanderung neu regeln müssen, 2013/2016, S. 87, Hervorh. orig.)

„Am Ende könnten offene Grenzen aber sogar ein Rezept gegen die globale Überbevölkerung sein: Statistiken zeigen, dass sich die Geburtenrate von Einwanderern sehr schnell auf das Niveau ihres neuen Heimatlandes einpendelt. Bekamen die türkischstämmigen Bewohner Duisburgs in den Achtzigerjahren noch mehr Kinder als die alteingesessene Durchschnittsfamilie, so ist die Geburtenrate zur Jahrtausendwende stark abgefallen und liegt inzwischen sogar unter der deutschen.“

Der Autor hat mit seinem Beispiel (wenn es denn zutreffend ist) gezielt eine Ausnahme herausgesucht. Was aber zählt, ist nicht die Geburtenrate der Türken in Duisburg, sondern die Geburtenrate der Ausländer bzw. Personen mit Migrationshintergrund in ganz Deutschland. So hat der jüngste Anstieg der Geburtenrate hierzulande ganz wesentlich mit der Zuwanderung zu tun: Für die Soziologin Anne-Kristin Kuhnt „ist es kaum verwunderlich, dass gerade jetzt die Zahl der Geburten angestiegen ist. ‚Viele der geflüchteten Frauen kommen aus Ländern, in denen es üblich ist, viele Kinder zu bekommen, und sie befinden sich jetzt in der Altersphase der Familiengründung und -erweiterung.‘“ 2015 (die aktuellsten Zahlen, die ich gefunden habe) hatten deutsche Frauen eine durchschnittliche Geburtenrate von 1,43, in Deutschland lebende ausländische Frauen dagegen eine von 1,95 – das ist um rund ein Drittel höher.

Wenn man bedenkt, dass die Grenzöffnung erst im September jenes Jahres stattgefunden hatte, und dass viele der gebärenden ausländischen Frauen wohl schon längere Zeit in Deutschland lebten, erscheint die Aussage, „dass sich die Geburtenrate von Einwanderern sehr schnell auf das Niveau ihres neuen Heimatlandes einpendelt“ schlicht falsch.

Pikanterweise ist die Geburtenrate der ausländischen Frauen zwischen 2011 und 2015 (wie auch die der deutschen) sogar gestiegen. Außerdem wird nicht berücksichtigt, dass bei den propagierten offenen Grenzen ja immer weitere Zuwanderer hereinkommen, die dann erst einmal ihre u.U. hohen Reproduktionsraten mitbringen, bevor diese in den Folgegenerationen eventuell sinken.

Und schließlich hat das Argument, dass dadurch „die globale Überbevölkerung“ eingeschränkt wird, für die allmählich verdrängt werdende einheimische Bevölkerung der Aufnahmeländer keine wesentliche Bedeutung.

So weit die Faktenprüfung der von Christoph Koch vorgebrachten Argumente. Ich möchte aber weitere Aspekte hinzufügen, welche der Autor nicht bedacht – oder mit Bedacht nicht erwähnt – hat. Dabei beziehe ich mich wiederholt auf das bereits zitierte, ausgewogene und wissenschaftlich fundierte Buch des britischen Ökonomen Paul Collier, der im Februar 2015 sogar von der Zeit interviewt wurde. Einige Monate später, in der „Refugees-Welcome“-Euphorie, hätte man ihn dort vermutlich nicht mehr zu Wort kommen lassen.

  • – Deutschland ist ein Sozialstaat in extremer Ausprägung. Sozialstaaten ziehen aber natürlicherweise vor allem solche Migranten an, die von einem gut ausgebauten Sozialsystem profitieren. Das sagt nicht nur der gesunde Menschenverstand, sondern wir sehen es auch daran, dass mehr Migranten nach Deutschland kommen als in alle anderen europäischen Länder zusammen. Gäbe es nicht die hohen europäischen - und eben insbesondere deutschen - Sozialleistungen, würden die Menschen aus dem Nahen Osten oder Afrika keine so weiten Wege auf sich nehmen.

    Als Folge werden die Sozialsysteme immer teurer und brechen schließlich zusammen: „Der dänische Ökonom Torben Andersen hat jüngst in einer Reihe von Forschungsarbeiten untersucht, wie sich die Migration auf großzügige Sozialsysteme wie die skandinavischen und auf deren Zukunftsfähigkeit auswirkt. Sein Befund: Die Migration stützt sie keineswegs ab, sondern macht sie aufgrund der Kombination aus höherem Abhängigkeitsquotienten und geringer Qualifikation von Migranten untragbar“ (Collier, a.a.O, S. 134).

    Der niederländische Sozialwissenschaftler Ruud Koopmans „hat außerdem festgestellt, dass großzügige Sozialleistungen die Integration verlangsamen, da sie Einwanderer verleiten, auf den untersten Stufen der Sozialleiter zu verharren. Natürlich verleiten sie auch die einheimische Bevölkerung, aber für Einwanderer scheinen sie verlockender zu sein, da sie an einen deutlich niedrigeren Lebensstandard gewöhnt sind. […] Zusammengenommen verlangsamen Multikulturalismus und großzügige Sozialleistungen die Integration zu Hause und im Beruf. Laut Koopmans[‘] Zahlen sind beide Effekte erheblich.“ (ebd., S. 115)

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  • – Einwanderung in größerem Umfang führt zu Unfrieden: „Je größer der Einwandereranteil in einer Gemeinde, desto geringer das Vertrauen zwischen Einwanderern und Einheimischen. Mit anderen Worten: Die Nähe führt nicht zu einem größeren gegenseitigen Verständnis, sondern zu mehr Misstrauen.

    Diese Beziehung ist vielfach untersucht worden, [...]“ (Collier, a.a.O., S. 80f). Dies wirkt sich insbesondere auf das Befinden der Einheimischen negativ aus: „Bei ansonsten gleichbleibenden Bedingungen war die einheimische Bevölkerung umso weniger glücklich, je größer die Konzentration von Einwanderern in der Gemeinde war.“ (ebd., S. 148)

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  • – Wie gesehen, ist der Einfluss der Migration auf die Lohnentwicklung nur marginal und nicht einheitlich. Sollte er im Einzelfall zu leicht steigenden Löhnen führen, so wird dies durch steigende Immobilienpreise aufgrund der größeren Nachfrage offenbar mehr als neutralisiert: „Für Großbritannien hat das Office for Budget Responsibility kürzlich geschätzt, dass die Immobilienpreise aufgrund der Einwanderung um rund 10 Prozent gestiegen sind.“ (Collier, a.a.O., S. 124)
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  • – Schließlich ist an die Folgen der innereuropäischen offenen Grenzen zu denken, wenn man weltweit offene Grenzen propagiert. Obwohl das soziale und kulturelle Gefälle innerhalb der EU weit geringer ist als zwischen der EU und dem Nahen Osten oder Afrika, haben die offenen Grenzen zu einer Armuts- und Kriminalitätszuwanderung nach Deuschland insbesondere aus Südosteuropa geführt.
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  • – Jenseits des sozialen Aspektes besteht bei vielen Muslimen ein Sendungsbewusstsein, Europa durch Migration für den Islam zu erobern. Erdogans Aussage von 1998 wurde schon oft zitiert: „Die Moscheen sind unsere Kasernen, die Minarette unsere Bajonette, die Kuppeln unsere Helme und die Gläubigen unsere Soldaten.“

    Ein deutscher Konvertit warnt: „Wir werden Europa erobern und jeden töten, der nicht zum Islam konvertiert.“

    Diese Zitate ließen sich vermehren. Offene Grenzen würden die Islamisierung Europas, die bereits jetzt ohne drastische Gegenmaßnahmen unabwendbar erscheint, durch gesteigerte Zuwanderung und hohe Geburtenzahlen deutlich beschleunigen.

Christoph Kochs Artikel berücksichtigt also wesentliche Argumente und Fakten überhaupt nicht, und die, welche er berücksichtigt, sind falsch oder unvollständig dargestellt. Offene Grenzen würden allenfalls dann mehr oder weniger funktionieren, wenn es keinerlei Sozialleistungen für Zuwanderer gäbe und Kriminelle hart bestraft bzw. unverzüglich abgeschoben würden (mindestens eine Straftat hätten sie dann freilich schon begangen).

In diesem Fall wäre das Zielland nur für ehrliche und qualifizierte Zuwanderer attraktiv. Deutschland ist aber das Gegenteil eines solchen Landes, und eine Änderung dieses Zustandes ist nicht abzusehen. Bereits die teilweise offenen Grenzen haben zu Milliardenkosten für die einheimische Bevölkerung und zu einer Zunahme der Kriminalität geführt, wie die im Vergleich zu den Deutschen um ein Vielfaches höhere Kriminalitätsrate bestimmter Einwanderergruppen zeigt.

Dass der angebliche Rückgang der Straftaten in der jüngsten Kriminalstatistik die Realität nicht abbildet, wurde verschiedentlich festgestellt. So schreiben zwei Autoren des Spiegel: „Jeder Gefährder macht Deutschland ein Stück sicherer, weil er Beamte bindet, denen die Entdeckung anderer Straftaten damit unmöglich wird – weshalb in der Folge Deliktzahlen in der PKS sinken.“

Und aus Berlin wurde berichtet: „Im Landeskriminalamt (LKA), das sich nur um die schweren Kriminalfälle kümmert, wurden im vergangenen Jahr mehr als 55.000 Ermittlungsverfahren nicht bearbeitet – ein neuer Rekord! […] Diese Fälle tauchen nicht in der Kriminalstatistik auf!“

Offene Grenzen würden ein Land wie Deutschland also in die Katastrophe führen: Zusammenbrechende Sozialsysteme, Explosion der Kriminalität, Vernichtung der einheimischen Kultur. Dies ist freilich die Agenda, die linksgerichtete Magazine wie die Zeit und ihr Ableger brandeins verfolgen, und oberflächliche Leser, die nur ihr globalsozialistisches Weltbild bestätigt sehen wollen, werden mit einem solch hanebüchenen Beitrag gut bedient. Einer Faktenprüfung hält er nicht stand, aber Fakten stören bekanntlich nur, wenn man eine Ideologie durchsetzen will.







Bildquelle

[1] DigiProductImages People Collection Volume 1 + 2 / GroupsAndCouples / kilimanjaro-YH98EKV158REUZM4