Staatsgrenzen sind ein Auslaufmodell

Was verleitet mich zu dieser Aussage?

3. Februar 2018 | Historiker: "Der deutsche Staat macht sich immer öfter lächerlich"

Der deutsch-jüdische Historiker Michael Wolffsohn erklärt, warum er sich um Deutschland Sorgen macht und warum Juden bei uns von Muslimen bedroht werden. Von Simon Kaminski
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Der frühere Botschafter Israels in Berlin, Avi Primor, hat 2015 in einem Interview mit unserer Zeitung gewarnt, dass jüdische Siedlungen im Westjordanland Israels Zukunft gefährden würden. Er plädiert für die Zwei-Staaten-Lösung. Hat er nicht recht?

Wolffsohn: Ich bin mit Avi Primor befreundet, aber in diesem Punkt hat er nicht recht. Seit fast 70 Jahren wird auf das Völkerrecht gepocht und Israel belehrt. Seit 70 Jahren erleiden wir damit Schiffbruch, dass wir die Fakten nicht anerkennen: Wir haben 1,2 Millionen Palästinenser in Israel und die werden dort auch bleiben. Es gibt 600.000 jüdische Siedler im Westjordanland, auch sie werden dort bleiben.

Und was soll Ihrer Ansicht geschehen?

Wolffsohn: Föderalismus ist die einzige Antwort. Wir denken viel zu sehr in Staatengrenzen und Territorien. Ich bin für eine Föderation Jordanien-Palästina. Sie sollte bestehen aus Jordanien, das seine Armee behalten darf, Gaza und dem Westjordanland. Die Juden in diesem Gebiet behalten ihren israelischen Pass und bekommen Sicherheitsgarantien.

Und die Hauptstadt dieser Föderation wird Ostjerusalem?

Wolffsohn: Warum nicht? Ja.

Was wird aus Israel?

Wolffsohn: Israel besteht in seinen Grenzen weiter. Die Palästinenser behalten ihren israelischen Pass, bekommen aber mehr Autonomie innerhalb des Staates.

Die USA wollen Ihre Botschaft nach Jerusalem verlegen. Sollte Deutschland das auch tun?

Wolffsohn: Auf jeden Fall, die Botschaften können in den Westen Jerusalems ziehen. Das würde Realitäten anerkennen und eine neue Dynamik in dem Konflikt entfachen.

Das Interview mit Prof. Michael Wolffsohn regt mich an, im Sinne von Larken Rose weiterzudenken. Der Staat befasst sich nicht länger mit seinen Grenzen, sondern kümmert sich um seine Einwohner. Erst wenn Einwanderer als Störer wirksam werden, greift er grenzbefestigend ein.

Um beim Beispiel des Staates Israel zu bleiben: Palästinenser sind anders verwurzelt als Israeliten. Diese Selbstverständlichkeit ist nicht an Staatsgrenzen gebunden. Wer sich einem Bowlingverein anschließt, spielt anders als das Mitglied eines Kegelvereins. Beide widmen sich begeistert ihrem Präzisionssport, ohne einander zu stören. Sie halten sich entweder in einer Kegelhalle oder in einer Bowlinghalle auf.

Michael Wolffsohn über den Judenhass-Import-Weltmeister

22. Dezember 2017 | Mit dem Historiker und Publizisten Professor Michael Wolffsohn sprechen wir über das Thema Judenhass und lassen uns auch erklären, warum die deutsche Haltung in der Jerusalem-Frage nicht gerade durchdacht ist.

Dass unsere Regierung geneigt ist, Fehler lieber zu wiederholen als sie einzugestehen und zu korrigieren, hat etwas von absurdem Theater. Aber es ist ein gefährliches Stück, das hier aufgeführt wird.

Angeblich war es die Jerusalem-Entscheidung des US-Präsidenten, die in deutschen Städten jüngst zu islamischen Machtdemonstrationen mit offenem Judenhass, einschließlich des Verbrennens von Davidsternen führte.

Doch mit Jerusalem hat das nicht viel zu tun. Die Initiatoren solcher Aufmärsche wollen Präsenz und Stärke zeigen, um eine vermeintlich schwache Gesellschaft einzuschüchtern und sie suchen sich dazu ihre Anlässe.

Schon 2014 riefen muslimische Demonstranten mit Migrationshintergrund „Jude, Jude feiges Schwein“ und „Juden ins Gas“ auf deutschen Straßen. Nichts Neues also?

  • Neu ist vielleicht die fatale Gewöhnung an die Gewalt und das anmaßende Auftreten radikaler Muslime.
  • Neu ist vielleicht der Grad der Leisetreterei gegenüber anmaßenden islamistischen Ideologen, der störrische Unwillen, Fehler im Umgang mit importierter Gewaltbereitschaft und importiertem Judenhass zu erkennen und zu korrigieren.
  • Neu ist, dass immer mehr Bürger, die sich von ihrem Staat jahrzehntelang selbstverständlich geschützt fühlten, auf diesen Schutz nicht mehr vertrauen können.

Absurderweise können sich die Islamisten von der deutschen Politik sogar bestärkt fühlen. Wer bewusst kämpferisch auftretende Anhänger einer Islam-Ideologie (nicht des Glaubens) auf die Straße ruft, wird gleichzeitig in der Deutschen Islamkonferenz von der Bundesregierung als Verhandlungspartner hofiert.

Das Auslaufmodell als tägliche Praxis

Unternehmen gründen Tochtergesellschaften, um in anderen Staaten glaubwürdig und vertrauenserweckend wirken zu können. Internationale Konzerne haben schon lange die Staatsgrenzen überwunden, weil die Konzernziele Priorität haben. Staaten haben sich dem gebeugt.

Warum kommen koreanische Autos, Fernseher und Mobiltelefone nur aus Südkorea nach Deutschland statt auch aus Nordkorea? Offensichtlich verfolgen die beiden Staaten, die ursprünglich ein Volk bildeten, zweierlei Strategien in ihren internationalen Wirtschaftsbeziehungen.

Wer nach Deutschland einwandert, weil es ihm hier gefällt, kann daraus kein Recht ableiten, die Regierungspolitik zu seinen Gunsten zu prägen. Noch weniger steht es ihm zu, von seiner Gegengesellschaft aus den gastgebenden Staat zu verachten oder gar kriminell zu bekämpfen.

Geradezu absurd ist es, wenn Kurden und Türken Konflikte in einer deutschen Fußgängerzone auf Kosten der Ortsansässigen austragen. Syrien und die Türkei sind groß genug, um sich irgendwo in der Wüste die Schädel einzuschlagen. Wer durch die Innenstadt bummelt, möchte nicht abgestochen werden.

Es ist schön, über das Netz in Sekundenschnelle zu erfahren, wie andere Menschen denken und sich mitteilen:

13. April 2015 | Keto Schumacher und Matthias Müller: Ist der Nationalstaat ein Auslaufmodell?

Die Zeit ist reif für eine neue Form der gesellschaftlichen Organisation. Reaktionäre würden gern zurück in eine Zeit isolationistischer Nationalstaaten. Damals wie heute erzählen sie Ammenmärchen von der bösen, bösen Internationalisierung. Dabei haben sie vor lauter Träumen von «der guten alten Zeit» vergessen, dass weder die Gesellschaft noch ihre Zukunft statisch sind. Es gibt mehr als nur ein Erscheinungsbild neuer Gesellschaften. Lokale Selbstverwaltung wäre demokratischer als ein Nationalstaat es je sein könnte. Eine Welt ohne Nationalstaaten muss weder eine Welt im Chaos noch im Totalitarismus sein.
Keto Schumacher

Die internationale Linke diagnostiziert diese Entwicklung natürlich als grassierenden, aggressiven Nationalismus. Doch sie irrt. Es handelt sich im Gegenteil um eine heilsame Retourkutsche gereifter Demokratien. Die Zeit, in der die Menschen fromm den utopischen Visionen und eifrigen Worten der Linksnostalgiker lauschten, ist vorbei. Die Bürger wollen wieder im Mittelpunkt stehen. Emotionale Bindung an die Nation wird nicht mehr als Zeichen der Rückständigkeit gesehen. Sie wird vielmehr verstanden als freiheitlicher Schutzwall gegen die unter der Flagge des universellen Fortschritts marschierenden Totalitarismen unserer Zeit. Das ist richtig und gut so.
Matthias Müller

An diesem Punkt stockt mein Schreibfluss, denn ich bin mit zwei Artikeln konfrontiert, die ich bereits in der Vergangenheit verfasst habe:

28. Januar 2013 | Kontrastprogramm Deutschland: Sachbeschädigung und Rassismus

3. März 2017 | Ersetzen Grenzschutzanlagen die traditionelle Kriegführung?

Aktuelle Selbstjustiz

Folgende Meldung jedoch wirft Fragen auf:
12. Februar 2018 | Zwei Soldaten entgehen Lynchversuch in Jenin

Ein Fahrzeug der israelischen Armee ist heute versehentlich in die im Gebiet der palästinensischen Autonomiebehörde liegenden Stadt Jenin gefahren, wo es von Dutzenden Arabern mit Steinen beworfen wurde. Eine Soldatin und ein Soldat, die im Auto saßen, wurden von der Menge tätlich angegriffen. Dabei wurde eine Soldatin durch Splitter der Windschutzscheibe leicht verletzt.

Den beiden Soldaten gelang es zum Glück mithilfe von Polizisten der palästinensischen Autonomiebehörde der gewalttätigen Menge zu entfliehen. An einem Kontrollpunkt wurden sie dann von Sanitätern der Armee behandelt. Medienberichten zufolge soll einem der Soldaten während der Attacke die Waffe gestohlen worden sein.

Ob Prof. Michael Wolffsohn das weiß?
13. Februar 2018 | Palästinensischer Diplomat: „Wir werden auch weiterhin unsere Kinder lehren, Steine zu werfen"

Abdallah Abushawesh, ein Mitglied der palästinensischen Delegation bei den Vereinten Nationen, sagte zu kanadischen Studenten, die im Hauptquartier der UNO in New York zu Besuch waren, dass die Palästinenser stolz darauf seien, Steine auf israelische Kräfte zu werfen und sie werden auch ihren Kindern weiterhin beibringen, Steine zu werfen.

Mir scheint, die Gemengelage ist wohl etwas komplexer als von Prof. Michael Wolffsohn dargestellt. Antisemitismus ist ein hohler Kampfbegriff. Warum schlagen sich "Semiten" gegenseitig den Schädel ein? Mit Moses zog ein großes "Mischvolk" aus Ägypten.

2. Mose 12:

36 Dazu gab der HERR dem Volk bei den Ägyptern Gunst, dass sie ihr Begehren erfüllten; und so beraubten sie Ägypten.

37 So zogen die Kinder Israels aus von Ramses nach Sukkot, etwa 600 000 Mann Fußvolk, ungerechnet die Frauen und Kinder.

38 Es zog aber auch viel Mischvolk6 mit ihnen, und Schafe und Rinder und sehr viel Vieh.

Präziser wäre, mit "Judenhass" oder mit "Israelitenhass" zu argumentieren. Doch selbst das ist lebensfremd! Man kann die Menschen nicht über einen Kamm scheren. Siehe hierzu mein Artikel
Israel - Kriegstreiber und Friedenswillige in einem Staat